TOKIO 2020NE

7 TOKIO 2020NE dabei. Doch wir erreichen zu selten die Finals, es fehlt an Kontinuität, dann ge- lingt sicher auch eher mal der Quoten- platzgewinn. Neben dem Bereich Pistole gibt es noch eine weitere Disziplin mit erfreulichen Nachrichten. Wie beurteilen Sie die Ent- wicklung im Bogenschießen Recurve? Gabelmann: Hier war vor allem nach dem Gewinn des Männer-Quotenplatz- gewinns durch Florian Unruh bei der EM die Freude groß, das hat den Dampf aus dem Kessel genommen. Damit war Deutschland schon in vier von fünf Ent- scheidungen vertreten, anstatt wie in Rio nur in deren zwei – allerdings gab es vor fünf Jahren noch keinen olympischen Mi- xed-Wettbewerb. Das bedeutete schon vor dem Qualifikationsturnier in Paris, das die Männer-Mannschaft nutzen woll- te, eine komfortable Ausgangsposition. Dies ist ein großer Erfolg des Bundes- trainers Oliver Haidn. Seine Sportler ha- ben die Corona-Pause gut genutzt und an ihren Bundesstützpunkten sehr viel trainieren können. Die Tendenz der auf- steigenden Form ist ein Ergebnis dieser Arbeit. Hat den deutschen Schützen – und ich beziehe mich dabei eindeutig und aus- schließlich auf die nationale Spitze – die Corona-Pause eher gut getan oder ge- schadet? Gabelmann: Wir haben ein starkes und gutes Training an den Bundesstütz- punkten gehabt, wo alle regionalen Trai- ner sehr gut gearbeitet haben. Da war viel persönliches Engagement dabei, auch bei den Schützen, auch wenn es für sie si- cherlich nicht einfach war ohne Ziele und Wettkämpfe. Doch die meisten haben aus der Corona-Agonie zurückgefunden. Von Jolyn Beer oder Christian Reitz etwa kam in dieser Phase nie ein negatives Wort. Das Jahr 2020 ist ein riesiges Experiment gewesen, auch einmal auf Wettkämpfe zu verzichten. Abel: Gerade in der kommenden verkürz- ten olympischen Periode wird das aller- dings schwierig werden, da die Weltver- bände über ihre Qualifikationssysteme zu Olympia überall Anreiz gesetzt haben. In den Disziplinen Bogen und Pistole fahren mehrere Schützen, in den Dis- ziplinen Pistole, Skeet und Trap jedoch jeweils nur einer. Werden trotzdem alle Bundestrainer vor Ort sein können? Gabelmann: Ja, da ist uns der Deutsche Olympische Sportbund stark entgegen gekommen und hat sich als verlässli- cher Partner erwiesen. Axel Krämer, Uwe Möller und C.D. Roth werden ihre Sportler betreuen, im Bereich Pistole sind Bärbel Georgi und Detlef Glenz vor Ort, und im Bereich Bogen reisen Oliver Haidn und Natalia Butuzova nach Tokio, zudem hat Marc Dellenbach eine Teilak- kreditierung erhalten. Thomas und ich werden die Leitung unserer Teilmann- schaft übernehmen, Thomas verstärkt im Bereich Bogen. Dies ist sehr sinnvoll, da die Wettkampforte sehr weit ausei- nander liegen. Dabei hat der DOSB be- rücksichtigt, dass wir als DSB interna- tional in zwei olympischen Verbänden aktiv sind. Außerdem gehört Matthias Schneider als Physiotherapeut zum DSB-Betreuerteam, während wir uns im medizinischen Bereich auf die Betreu- ung durch den DOSB verlassen und ohne eigenen Arzt anreisen. Haben Sie insbesondere angesichts der angespannten Corona-Situation in Japan Befürchtungen um die Gesundheit? Gabelmann: Das komplette Team hat durch den DOSB ein Impfangebot erhal- ten, einschließlich der Trainer und Be- treuer. Das haben fast alle aus unserer Delegation genutzt. Aufgrund der akri- bischen Organisation sehe ich es als ge- währleistet an, dass es im Olympischen Dorf keinen Corona-Ausbruch geben wird, etwa 90 Prozent der dort anwesen- den Personen werden geimpft sein. Wir mussten sehr detaillierte Pläne vorle- gen, wohin sich welche Person in Tokio bewegt, wobei sich dies auf den reinen olympischen Bereich beschränkt. Der Kontakt zur Bevölkerung soll gemieden werden, Ausflüge in die Innenstadt wird es diesmal nicht geben. Abel: Dazu muss jeder vor und nach der Abreise jeweils drei PCR-Tests absolvie- ren, jeder wird zudem täglich getestet. Ein Spaß ist etwas anderes. Auch der Be- such anderer Sportstätten ist nicht mög- lich, nur auf die Anlage seiner eigenen Sportart kann man, auch wenn man an dem Tag keinen Wettbewerb absolviert. Außerdem muss jeder Sportler am Tag nach seinem letzten Wettkampf direkt abreisen. Für Emotionalität wird wenig Platz blei- ben. Wie wird denn nach einem etwaigen Medaillengewinn gefeiert? Gabelmann: In Tokio wird nicht gefei- ert, außer der DOSB lässt sich für das Olympische Dorf etwas einfallen. Ein Deutsches Haus etwa wird es nicht ge- ben. Allerdings besteht die Chance beim Empfang am Flughafen, sollte das bis dahin möglich sein. Zehn Sportler wer- den zum Beispiel am 1. August zurück in Frankfurt sein. Auch eine Teambuilding- maßnahme oder eine gemeinsame Ver- abschiedung vor der Abreise, das Gros fliegt am 17. Juli, wird es nicht geben, wir wollen alle Gesundheitsgefahren vermeiden. So wird es diesmal zu dem Novum kommen, dass sich einige unse- rer Schützen erstmals sehen und ken- nenlernen, wenn sie im Dorf gemeinsam an einem Tisch sitzen oder sich sogar das Zimmer teilen. Die unvermeidliche Frage kommt fast zum Schluss: Wie sind Ihre Medaillen­ erwartungen? Gabelmann: Wir fahren zwar mit einem kleinen Team, doch unsere aussichtsrei- chen Spitzenschützen sind alle dabei. Die Hauptlast werden die Disziplinen Pistole und Bogen tragen, in beiden Bereichen erhoffe ich mir jeweils eine Medaille. Na- türlich ist auch mehr möglich. Olympi- sche Spiele entwickeln so viel Eigendyna- mik: Gibt es in den Qualifikationen einen großen Aderlass? Wann kommt die erste Medaille? Wie ist die Stimmung? Sie sprechen aus Erfahrung: Ihre wie- vielten Spiele werden diese sein? Gabelmann: Ich stehe vor meinen ach- ten Sommerspielen, ununterbrochen seit Barcelona 1992. Es werden auch definitiv meine letzten sein, spätestens im April 2022 werde ich in Rente gehen. Meine Vorfreude hat am 9. Juni begonnen, als wir mit dem DOSB das Olympia-Vorberei- tungsgespräch hatten, das war für mich die Initialzündung. Zuvor waren zu viele Fragen offen. Für die Sportler sind die Spiele ganz wichtig. Sie brauchen dieses Ziel, um einen Abschlusspunkt ihrer Trai- ningsarbeit zu haben. Abel: Ich verspüre große Vorfreude. Es werden meine dritten Spiele sein, aber meine ersten in neuer Funktion direkter an den Sportlern. Vorher, beim DOSB, hatte ich mehr administrative Aufgaben bei der Betreuung der Schützen und Rei- ter. Dennoch herrscht angesichts der Umstände rund um die Pandemie bei mir kein Frohlocken. Doch ich freue mich, meinen Teil zu einem möglichst erfolg- reichen Abschneiden unserer Teilmann- schaft beizutragen. Das Gespräch führte Harald Strier.

RkJQdWJsaXNoZXIy NDAzMjI=